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Heute beschäftigen wir uns in unserer E-Commerce-Reihe mit dem Widerrufsrecht. Der Beitrag setzt unseren Beitrag von letzter Woche fort, in der wir die Informationspflichten des Verkäufers gegenüber dem Verbraucher bei Onlinegeschäften behandelt haben.
Folgende Themen sprechen wir an:
1. Worum geht es?
Beim Handel über das Internet (Fernabsatz) muss der Unternehmer im B2C Bereich dem Verbraucher die Möglichkeit einräumen, den Verbrauchervertrag zu widerrufen. Der Unternehmer muss auf folgendes achten:
- Hinweis auf das Widerrufsrecht und wie es der Verbraucher ausüben kann bei der Bestellung (noch vor Abschluss der Bestellung)
- Nochmaliger Hinweis auf das Widerrufsrecht in der Vertragsbestätigung und wie es ausgeübt werden kann.
Wir hatten bereits bei den Informationspflichten darauf hingewiesen, dass eine neue Richtlinie zu den Verbraucherrechten (Omnibusrichtlinie) in 2020 in Kraft getreten ist. Aus dem bereits vorliegenden Referentenentwurf zur Umsetzung der Richtlinie ergibt sich, dass es sich überwiegend um redaktionelle Anpassungen handelt. Lediglich bei den Mustern für Widerrufsbelehrung und Widerrufserklärung ergeben sich minimale inhaltliche Änderungen, auf die wir unter 2.1 eingehen. Die Richtlinie muss bis zum 28.10.2012 umgesetzt sein.
1.1 Gesetzliche Grundlagen
Wir beschäftigen uns primär mit dem „klassischen“ Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen im Warenhandel, geregelt in §§ 312g, 312j, 355, 356 BGB i.V.m. Art 246a § 1, Abs. 2, Satz 2 EGBGB und den Anlagen 1 und Anlage 2 zu Art. 246 a § 1, Abs. 2 Satz 2 EGBGB). Dabei gilt dieses Widerrufsrecht grundsätzlich auch für Dienstleistungen und Reparaturleistungen im elektronischen Fernabsatzverkehr.
1.2 Sonderregelungen zum Widerruf für besondere Verbrauchergeschäfte
Für einige Dienstleistungen gibt es detaillierte Sonderregelungen für das Widerrufsrecht des Verbrauchers. Zu nennen sind hier u.a. Widerrufsrechte für Teilzeit-Wohnrechte, langfristige Urlaubsprodukte, Vermittlungs- und Tauschsystemverträge, Ratenlieferungssysteme, Finanzdienstleistungen, Darlehensverträge, geregelt in §§ 356a ff. BGB i.V.m. mit Artt. 246b, 247ff. EGBGB (Informationspflichten beim Verbrauchervertrag).
2. Welchen Inhalt muss der Hinweis auf das Widerrufsrecht haben?
Der Inhalt der Widerrufsbelehrung ergibt sich aus dem Gesetz. Der Gesetzgeber stellt Mustererklärungen zur Verfügung, die man verwenden kann, aber nicht verwenden muss.
2.1 Muster für Widerufsbelehrung und Widerruf
Für den Fernabsatz von Waren im Internethandel findest Du die Muster für Widerrufsbelehrung und Widerruf in den Anlagen 1 und 2 zu Artikel 246a § 1 Abs. 2, Satz 2 EGBGB:
Auf dieser Grundlage haben wir eine Muster-Widerrufsbelehrung nebst Muster für Widerrufserklärung generiert und mit ein paar Hinweisen versehen:
Die Änderungen durch Omnibusrichtlinie werden geringfügig sein. Der Referentenentwurf sieht vor, dass der Unternehmer in der Widerrufsbelehrung eine Telefonnummer angegeben werden muss. Im Muster zur Widerrufserklärung muss der Unternehmer künftig keine Faxnummer mehr angeben.
2.2 Unterschiedliche Widerrufsrechte – Baukastensystem
Unter 1.2. haben wir bereits darauf hingewiesen, dass es verschiedene Arten von Verbraucherverträgen (z.B. Verbrauchervertrag über Finanzdienstleistungen, Baukredite, etc.) gibt. Für diese sind jeweils eigene Mustertexte vom Gesetzgeber erstellt worden, die Du ebenfalls in Anlagen zum EGBGB findest. Einzelne Teile davon können variieren, je nach deinen Bedürfnissen.
Nachstehend haben wir die Anlage 3 zum EGBGB (Muster Widerrufsbelehrung Finanzdienstleistungen) eingefügt. Schau dir diese an und klicke dich dann durch die weiteren Anlagen (Anlagen 3 bis 18 zu den Artt. 246b, 247 ff. EGBGB (Finanzdienstleistungen, Verbraucherkredite, Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge, Immobiliardarlehensverträge, unentgeltliche Darlehensverträge, diverse Muster für Reisende, inklusive eines Musters für einen Reise-Sicherungsschein)), um den passenden Typ zu finden:
2.3 Kann das gesetzliche Widerrufsrecht abbedungen werden? – Sonderfall: Übermittlung rein digitaler Inhalte ohne Datenträger
Grundsätzlich ist das gesetzliche Widerrufsrecht des Verbrauchers zwingendes Recht und kann nicht abbedungen werden. Ein Sonderfall ist der Versand von digitalen Waren, die nicht durch einen Datenträger verkörpert sind. Dazu gehören Onlinebestellungen von Produkten, die rein elektronisch übermittelt werden, wie ein E-Book, ein gestreamtes Video ein Videospiel. Bei solchen Verträgen kann der Unternehmer Widerrufsrecht abbedingen, wenn er den Verbraucher bei der Bestellung darauf hinweist, dass er ein gesetzliches Widerrufsrecht hat, es aber mit der Übermittlung der rein elektronischen Ware verliert.
Dabei musst Du in deinem Bestellvorgang folgende Hinweise einbauen (vgl. § 356 Abs. 5 BGB):
- Der Verbraucher wird bei Vertragsschluss ausdrücklich auf sein Widerrufsrecht hingewiesen.
- Dem Verbraucher mitgeteilt wird, dass er sein Widerrufsrecht verliert, wenn mit der Ausführung des Vertrages (= Übersendung der bestellten digitalen Daten ohne Datenträger) vor Ablauf der Widerrufsfrist begonnen wird
- und der Verbraucher bestätigt, dass er durch Zustimmung zu der Ausführung des Vertrages sein Widerrufsrecht verliert.
3. Wie bindest Du das Widerrufsrecht in Deinen E-Commerce Business ein?
Wir empfehlen folgendes Vorgehen:
Die Widerrufsbelehrung nebst Widerrufsmuster (vgl. 2) sollte in Deine AGB aufgenommen werden.
Der Text der Widerrufsbelehrung nebst Muster muss im Bestellvorgang vor der Bestellung für den Nutzer sichtbar sein. Du solltest dir die Kenntnis durch ein aktives Tun des Kunden (klicken auf “Ich habe das Widerrufsrecht zur Kenntnis genommen und verstanden”)
Die Widerrufsbelehrung nebst Widerrufsmuster sollten dann noch einmal in der Bestellbestätigung / Vertragsbestätigung aufgenommen werden.
Der Ablauf könnte wie folgt sein:
3.1 Schritt 1: Beim Bestellvorgang, vor Abgabe der Bestellung:
- Bestätigung der AGB
- Bestätigung des Erhalts der erforderlichen Informationen zu Ware und Versand und sonstige gesetzliche Informationspflichten
- Bestätigung der Belehrung zum Widerrufsrecht (nebst Widerrufsmuster)
- Zuletzt: -> Bestätigung der kostenpflichtigen Bestellung
3.2 Schritt 2: Bestätigung der Bestellung durch Händler – Vertragsschluss:
- Übersendung der Bestellbestätigung zusammen mit
- Rechnung
- AGB
- gesetzlichen Informationspflichten
- Widerrufsbelehrung (nebst Widerrufsmuster)
4. Welche Rechtsfolgen ergeben sich, wenn die Widerrufsbelehrung nicht vorhanden ist oder fehlerhaft ist?
4.1 Kein Beginn der Widerrufsfrist
Die typische Rechtsfolge einer unzureichenden Widerrufsbelehrung ist, dass die Frist für die Ausübung des Widerrufs nicht beginnt. Sie beginnt erst, wenn die Widerrufsbelehrung einwandfrei erfolgt ist. Die Folge ist, dass ein Verbraucher auch noch Jahre später widerrufen kann und sich von dem Vertrag lösen kann.
Im Onlinehandel mit Waren spielt der Widerruf nach Jahren kaum ein Rolle, im Gegensatz zum Fernabsatz im Verbraucherkreditgeschäft. Hier gab es in den letzten Jahren immer wieder spektakuläre Fälle, in denen deutsche Gerichte und auch der Europäische Gerichtshof bescheinigte, dass das Widerrufsrecht auch Jahre später noch ausgeübt werden konnte, weil die Widerrufsbelehrung fehlerhaft war und somit eine erforderliche Widerrufsbelehrung unterblieben war. Eine kleine Darstellung der Historie dieser Urteile findet sich hier:
In der Praxis relevanter ist beim Onlinehandel mit Waren der Streit um die Rechtsfolgen einer Ausübung des Widerrufsrechts. Dazu mehr unter 6.
4.2 Abmahnung
Für fehlende, fehlerhafte oder veraltete Widerrufsbelehrungen kannst Du abgemahnt werden. Abgemahnt wird hier das Vorenthalten wesentlicher Informationen gegenüber dem Verbraucher gemäß § 5 Abs. 2 UWG. Der Hinweis auf das Widerrufsrecht gilt dabei als wesentliche Information (vgl. § 5a Abs. 3 Nr. 5 (UWG))
5. Wann ist der Widerruf ausgeschlossen?
Für eine ganze Reihe von Verträgen im Fernabsatz wurde das Widerrufsrecht der Verbraucher ausgeschlossen, entweder aufgrund des Vertragsinhaltes oder nachdem der Verbraucher bestimmte Handlungen vorgenommen hat. Aus der Aufzählung in § 312g Abs. 2 BGB seien hier folgende genannt:
- Individualanfertigung für den Verbraucher (z.B. Bestellung eines Maßanzugs)
- leicht verderbliche Waren
- Entfernung der Versiegelung bei Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind
- Untrennbare Vermischung von Waren mit anderen Gütern
- Entfernung der Versiegelung bei Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware
- Zeitungen, Zeitschriften, Illustrierte (außerhalb eines Abonnements)
- Beherbergung, Beförderung oder Lieferung von Essen zu festbestimmten Zeitpunkt (Beispielsweise Buchung einer Pauschalreise, Mietwagenbuchung, Bestellung eines Caterings für ein private Feier, Konzertkarten)
Du kannst dir die ganze Liste in § 312g Abs. 2 BGB anschauen:
Bereits oben unter 2. haben wir darauf hingewiesen, dass beim Versand elektronischer Artikel ohne körperlichen Datenträger das Widerrufsrecht des Verbrauchers zum Erlöschen gebracht werden kann und dann auch ausgeschlossen ist.
6. Welche Rechtsfolgen ergeben sich im Falle des Widerrufs?
Erklärt der Verbraucher den Widerruf des Vertrages, müssen Verbraucher und Unternehmer die empfangenen Leistungen zurückgewähren. Beim Onlinekauf von Artikeln bedeutet das, dass der Verbraucher die Ware zurückgeben muss und der Händler den Kaufpreis zurückzahlen muss.
Das klingt einfach. In der Praxis gibt es aber viele Problemlagen.
6.1 Wie kommt die Ware wieder zum Unternehmer?
In der Widerrufsbelehrung kann der Unternehmer festlegen, dass er die Ware abholt oder dass der Verbraucher den Rückversand organisieren muss (Vgl. Widerrufsbelehrung unter 2.)
6.2 Was ist mit den Hinsendekosten für die Ware?
Diese Kosten müssen von dem Unternehmer getragen werden. Sofern der Verbraucher diese Kosten beim Kauf gezahlt hat, muss der Unternehmer die Kosten dem Verbraucher erstatten. Nur wenn der Verbraucher auf eine gesonderte Versendung, die teuerer ist als die von dem Unternehmer angebotene Versendung, bleibt der Verbraucher auf diesen Extrakosten sitzen bzw. muss sie erstatten. Beispielsweise müsste der Verbraucher Extrakosten für eine Nachnahme der Ware bezahlen, wenn die Standarfversandart des Unternehmers die Versendung ohne Nachnahme ist, der Verbraucher aber diese Versandart ausdrücklich gewählt hat.
6.3 Was ist mit den Rücksendekosten der Ware?
Häufig bietet ein Onlineshop an, die Kosten der Rücksendung zu übernehmen. Der Unternehmer legt dann einen Retourenschein bei, welcher für die kostenfreie Rücksendung verwendet werden kann. Nutzt der Kunde den mitgesandten Retourenschein nicht und schickt die Ware “unfrei”, also im normalen Postverkehr ohne Übernahme der Versandkosten (Porto), kann der Unternehmer vom Verbraucher den Ersatz der Kosten für die Auslösung des unfreien Versands ersetzt verlangen. Der Unternehmer darf aber nicht die Annahme der Rücksendung verweigern.
In der Widerrufsbelehrung kann aber auch festgesetzt werden, dass der Verbraucher die Kosten für die Rücksendung übernimmt.
Sofern die Ware nicht normal mit der Post zurückgesendet werden kann, wie beispielsweise ein Küchengerät wie Kühlschrank oder Herd, das mit der Spedition gebracht wurde, kann der Unternehmer festlegen, dass der Verbraucher die unmittelbaren Kosten dafür trägt. Dabei muss der Unternehmer einen Höchstbetrag angeben bzw. schätzen, wenn die Rücksendekosten vorab nicht mit Sicherheit festgelegt werden können.
Die unmittelbaren Kosten sind die Kosten, die direkt durch den Rückversand ausgelöst werden, also beispielsweise die Kosten für die Spedition, die die Ware abholt. Die mittelbaren Kosten der Rücksendung, wie Kosten für den Empfang und die Aufbereitung der rückgesendeten Ware für den erneuten Verkauf können nicht auf den Verbraucher abgewälzt werden. Die Vereinbarung einer Aufwandspauschale ist unzulässig.
Hat der Verbraucher die Kosten der Rücksendung zu tragen, darf er seine Verpflichtung nicht durch eine Rücksendung per Nachnahme umgehen.
Eine detaillierte Darstellung zu Rechtsfragen bei den Hin- und Rücksendekosten gibt es bei hier:
6.4 Was ist mit Wertersatz für benutzte, verbrauchte oder beschädigte Ware?
Der Verbraucher hat die Ware bekommen. Er hat den Pullover angezogen, die Matratze Probe gelegen, den Herd beschädigt. Er entschließt sich schließlich den Kaufvertrag zu widerrufen und die Ware zurückzusenden. Kann der Händler Wertersatz für die benutzte, verbrauchte oder beschädigte Ware verlangen?
Grundsätzlich hindert der Gebrauch der Sache den Verbraucher nicht, sein Widerrufsrecht auszuüben. Nach der gesetzlichen Regelung (§ 357 Abs. 7 BGB) muss er dafür Wertersatz leisten, wenn 1. durch den Umgang mit der Ware ein Wertverlust entstanden ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware nicht notwendig war und 2. der Unternehmer den Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat.
Bei sachgemäßem Gebrauch zu Testzwecken muss er in der Regel für den Gebrauch keinen Wertersatz leisten. Beispielsweise kann er eine Matratze zu Testzwecken eine Nacht nutzen, ein Kleidungsstück anprobieren, um zu schauen ob es steht und angenehm zu tragen ist, ein montagebedürftiges Möbelstück zusammenbauen, ohne dafür Wertersatz leisten zu müssen.
Bei nichtverderblichen Lebensmitteln (für verderbliche Lebensmittel besteht von vorne herein kein Widerrufsrecht – vgl. oben zu. 5) oder Hygieneartikeln muss kein Wertersatz geleistet werden, solange nur Umverpackungen entfernt werden. Wird die Schutzverpackung entfernt erlischt i.d.R. das Widerrufsrecht aus Gründen des Gesundheitsschutzes (Sonderregel in § 312 g Abs. 2 Nr. 3 BGB – vgl. oben zu 5). Bücher dürfen angeschaut und oberflächlich durchgeblättert werden. Bei Gebrauchsspuren, wie Knicke, Flecke, Kratzer ist Wertersatz zu leisten.
6.5 Beweislast
Macht der Unternehmer eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers geltend, ist er dafür beweispflichtig. Er muss nachweisen, dass der Verbraucher die wertmindernde Handlung vorgenommen hat.
6.6. Weitere Fragen zum Wertersatz
Es gibt noch eine ganze Reihe weitere interessante Fragen zum Wertersatz, wie die Berechnung der Höhe des Wertersatzes (nach herrschender Meinung die Differenz zwischen Verkaufspreis und (geschätztem Wiederverkaufswert), muss für Originalverpackungen Ersatz geleistet werden (nein).
Empfehlenswert zum Wertersatz ist dieser Artikel:
7. Was findest Du im Netz?
Überblicke zum Widerrufsrecht findest Du hier:
Eine Überblick zu den vorgesehenen (redaktionellen) Änderungen im Widerrufsrecht durch die Umsetzung der Omnibusrichtlinie findest Du hier:
Einen Widerrufsbelehrungsgenerator findest du hier (sowohl als kostenlose Variante als auch als kostenpflichtige Variante (mit weiteren Mustertexten):
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