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Am 7. Mai 2021 hat der Bundesrat der Grunderwerbsteuerreform zugestimmt. Die Reform, durch die sog. Share Deals zur Vermeidung der Grunderwerbsteuer erschwert werden, tritt somit zum 01. Juli 2021 in Kraft. Basis der Reform ist der Gesetzesentwurf der Bundesregierung aus dem Jahr 2019, den der Bundestag in der vom Finanzausschuss geänderten Fassung am 21. April 2021 beschlossen hat.
1. Worum geht es?
Der Kauf von Immobilien unterliegt grds. der Grunderwerbsteuer. Die Grunderwerbsteuer beträgt je nach Bundesland 3,5 % bis 6,5 % des Kaufpreises. Steuergestaltungen in Form sog. Share Deals ermöglichten es jedoch, die Grunderwerbsteuer erheblich zu reduzieren bzw. vollständig zu vermeiden. Bei Share Deals werden die Anteile (Shares) an einer immobilienbesitzenden Gesellschaft verkauft. Die Immobilie wird folglich nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar übertragen. Bei richtiger Strukturierung der Share Deals konnte der (dann mittelbare) Immobilienverkauf grunderwerbsteuerfrei erfolgen.
Ziel der Gesetzesänderung ist es, solche “missbräuchlichen Steuergestaltungen” in der Grunderwerbsteuer einzudämmen. Durch die jetzt beschlossene Grunderwerbsteuerreform werden daher die Voraussetzungen für grunderwerbsteuerfreie Share Deals verschärft.
2. Änderungen für Personengesellschaften
2.1 Rechtslage bis einschließlich 30. Juni 2021 (GrEStG a.F.)
Nach § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. lösen Gesellschafterwechsel bei einer Personengesellschaft eine Grunderwerbsteuerbelastung aus, wenn innerhalb von fünf Jahren mindestens 95 % der Anteile an der Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar auf neue Gesellschafter übertragen werden. Zur Vermeidung der Grunderwerbsteuer ist daher häufig einer der bisherigen Gesellschafter (sog. Altgesellschafter) mit einem Minderheitsanteil von mindestens 5,1 % in der Gesellschaft verblieben. Der Käufer hat somit zunächst einen Mehrheitsanteil an der Personengesellschaft erworben. Nach Ablauf der 5-jährigen Behaltensfrist hat der zunächst in der Gesellschaft verbleibende Gesellschafter seinen Minderheitsanteil häufig ebenfalls an den Käufer veräußert. Durch den Erwerb des Minderheitsanteils kam es beim Käufer in der Regel zu einer grds. grunderwerbsteuerpflichtigen Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. Eine Anteilsvereinigung liegt vor, wenn ein Gesellschafter unmittelbar oder mittelbar über andere Gesellschaften mindestens 95 % der Anteile an einer Gesellschaft innehat. Für die bereits vor fünf Jahren erworbene Beteiligung in Höhe von 94,9 % konnte der Käufer aber die grunderwerbsteuerlichen Begünstigungen der §§ 5, 6 GrEStG a.F. beanspruchen was zur Folge hatte, dass nur der Anteilserwerb in Höhe von 5,1 % grunderwerbsteuerpflichtig war. Erfolgte der Erwerb der restlichen 5,1 % an der immobilienbesitzenden Personengesellschaft durch einen nicht mit dem Mehrheitsgesellschafter verbundenen Co-Investor, konnte die Grunderwerbsteuer in vollem Umfang vermieden werden. Im Ergebnis hat der Käufer auf diesem Wege das Immobilienvermögen der Personengesellschaft (mittelbar) mit einer sehr geringen oder ohne Grunderwerbsteuerbelastung erworben.
2.2 Rechtslage ab dem 01. Juli 2021 (GrEStG n.F.)
Der Gesetzgeber hat durch die Grunderwerbsteuerreform die für § 1 Abs. 2a, Abs. 3, und Abs. 3a GrEStG geltenden Beteiligungsgrenzen von 95 % auf 90 % abgesenkt. Zudem hat er die Behaltefristen im § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. von 5 auf 10 Jahre verlängert. Eine entsprechende Verlängerung der Nach- und Vorbesitzzeiten hat der Gesetzgeber auch für die grunderwerbsteuerlichen Begünstigungstatbestände der §§ 5, 6 GrEStG n.F. beschlossen. Kommt es durch den späteren Erwerb einer Minderheitsbeteiligung an einer Personengesellschaft zu einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG n.F. beim Käufer ist sogar eine Vorbesitzzeit von 15 Jahren erforderlich, um in den Genuss der anteiligen Grunderwerbsteuerbefreiung zu kommen, § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG n.F.
Im Ergebnis hat der Gesetzgeber bei Personengesellschaften die Vermeidung von Grunderwerbsteuer durch Share Deals und durch die für den zurückbleibenden Minderheitsgesellschafter anzuwendenden langen Behaltensfristen von 10 bzw. 15 Jahre und einer damit verbundenen Mindestbeteiligung von 10,1 % deutlich unattraktiver gemacht.
3. Änderungen für Kapitalgesellschaften
3.1 Rechtslage bis einschließlich 30. Juni 2021 (GrEStG a.F.)
Anteilsübertragungen bei immobilienbesitzenden Kapitalgesellschaften führten in der bis zum einschließlich 30. Juni 2021 geltenden Fassung nur dann zu einer Grunderwerbsteuerbelastung, wenn es durch die Anteilsübertragungen zu einer sogenannten Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG a.F. bei einem Gesellschafter kam oder bereits vereinigte Anteile auf einen anderen Erwerber übertragen werden, vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG a.F. Im Ergebnis konnten an einer immobilienbesitzenden Kapitalgesellschaft – anders als bei Personengesellschaften – sämtliche Anteile ohne Beachtung von zeitlichen Behaltensfristen veräußert werden, ohne das Grunderwerbsteuer anfällig wurde. Es musste nur sichergestellt sein, dass weniger als 95 % der Anteile an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar von einem Käufer erworben werden. Vielfach brachte der Käufer der Immobiliengesellschaft daher einen Co-Investor mit, der 5,1 % der Anteile an der Immobilienkapitalgesellschaft erwarb, um die Grunderwerbsteuer durch Anteilsvereinigung zu vermeiden. Beim Co-Investor musste allerdings beachtet werden, dass er nicht in einer grunderwerbsteuerrechtlichen Abhängigkeit zum Hauptinvestor stand.
3.2 Rechtslage ab dem 01. Juli 2021 (GrEStG n.F.)
Die Absenkung der Beteiligungsgrenzen von 95% auf 90% sowie die Verlängerung der Behaltensfristen von fünf auf zehn Jahre im § 1 Abs. 3 GrEStG n.F. betrifft neben den Personen- auch die Kapitalgesellschaften. Daneben hat der Gesetzgeber jetzt einen neuen § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. für Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften eingeführt. Werden innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an einer Immobilienkapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übertragen, ist die Anteilsübertragung grunderwerbsteuerpflichtig. Das bisherige Vorgehen, dass neben einem Hauptinvestor ein Co-Investor einen Minderheitsanteil (ab dem 01. Juli 2021 in Höhe von mind. 10,1 %) an der Kapitalgesellschaft erwirbt, ist zukünftig nicht mehr möglich. Erst zehn Jahre nach Verkauf der Mehrheitsbeteiligung können die restlichen 10,1% an der Immobilienkapitalgesellschaft ohne Grunderwerbsteuerbelastung an einen Co-Investor veräußert werden. Allerdings muss der Mehrheitsgesellschafter dann für weitere zehn Jahre mit mind. 10,1% beteiligt bleiben.
Vorsicht: Eine Veräußerung der restlichen 10,1% an den Mehrheitsgesellschafter oder an ein mit ihm verbundenes Unternehmen nach zehn Jahren führt zu einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG n.F. mit der Folge, dass Grunderwerbsteuer auf den gesamten Immobilienbesitz der Kapitalgesellschaft fällig wird.
Auch für Immobilienkapitalgesellschaften hat der Gesetzgeber durch die Grunderwerbsteuerreform die Attraktivität von Share Deals somit deutlich eingeschränkt.
4. Wesentliche Übergangsregelungen
Da die Änderungen der grunderwerbsteuerlichen Regelungen zu Lasten der Steuerpflichtigen wirken hat der Gesetzgeber vor dem Hintergrund des Vertrauensschutzes Übergangsregelungen vorgesehen.
Die wesentlichen Übergangsregelungen sehen Folgendes vor:
- Wer bei Personengesellschaften für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. aufgrund des Ablaufs der fünfjährigen Behaltensfrist bereits am 30. Juni 2021 als Altgesellschafter qualifiziert, bleibt Altgesellschafter. Dies gilt auch dann, wenn er die Personengesellschaftsanteile zwar länger als fünf aber weniger als zehn Jahre hält. Dies bedeutet aber auch, dass sich noch nicht abgelaufene Behaltensfristen auf zehn Jahre verlängern.
- Zur Vermeidung von Besteuerungslücken finden § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. für “Altfälle” weiterhin Anwendung. Sind an einer Personengesellschaft bis zum 30. Juni 2021 einschließlich mehr als 89,9 % aber weniger als 95 % der Anteile übertragen worden, könnten ohne diese Regelung die restlichen Anteile innerhalb der Behaltensfrist übertragen werden, ohne Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. auszulösen. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. ist nicht erfüllt, da bereits mindestens 90 % auf neue Gesellschafter übergegangen sind.
- Aus denselben Gründen wurde auch die weitere (unbegrenzte) Anwendung des § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG a.F. vorgesehen.
- Bei Kapitalgesellschaften werden für Zwecke des § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. Anteilserwerbe, die vor dem 01. Juli 2021 vollzogen werden, nicht berücksichtigt.
5. Handlungsbedarf – Was jetzt zu tun ist
Betroffene Steuerpflichtige sollten bestehende Strukturen überprüfen und ggf. anpassen. Beispielsweise könnten, wenn möglich, bereits geplante Anteilsübertragungen vorgezogen werden.
Insbesondere bei immobilienbesitzenden Personengesellschaften, bei denen bisher geplant war nach Ablauf der fünfjährigen Behaltensfrist des § 1Abs. 2a GrEStG a.F. weitere (ggf. die restlichen) Anteile zu übertragen, bedarf es der Anpassung bzw. Neuverhandlung von etwaigen Optionsvereinbarungen zum Kauf der weiteren Anteile.
Bei Immobilienkapitalgesellschaften sollte überlegt werden, ob die kurzfristige Übertragung von 10,1% der Anteile an einen langfristigen Investor noch bis zum 30.06.2021 erfolgen kann.
Kapitalgesellschaften müssen ihre Tax-Compliance-Systeme ergänzen. Da die immobilienbesitzende Kapitalgesellschaft für Zwecke des § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. anzeigepflichtig und Schuldner der Grunderwerbsteuer ist, muss die Geschäftsführung über unmittelbare, aber auch sämtliche mittelbare Anteilsübertragungen informiert werden und diese überwachen, um ihre grunderwerbsteuerlichen Pflichten erfüllen zu können.
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